Gastbeitrag: Management – Krisen bewältigen

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Die Chaos-Theorie beschreibt unter anderem mit dem Schmetterlingseffekt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien zu einem Tornado in Texas führen kann. In China kocht sich jemand ein Fledermaussüppchen und die ganze Welt scheint zu kollabieren. Die Weltwirtschaft ist im Krisenmodus. Helfen uns da komplexe mathematische Modelle oder widersprüchliche Ratschläge von medial inszenierten oder selbsternannten Experten?

Um es gleich vorwegzunehmen. Die Vorhersagen treffen nur bedingt zu und erinnern oft an Hühnerknochenwerden, was Ihre Genauigkeit am besten beschreibt. Ich halte viel von Mathematik, allerdings lässt sich nicht alles in Formeln und Algorithmen packen. Dies beschreibt auch die derzeitige Qualität von KI (künstliche Intelligenz), mit der unseriöse Berater versuchen, ihren am Abgrund stehenden Kunden noch das letzte Geld aus den Taschen zu ziehen.  Ich nenne Sie Leichenfledderer, wie so viele andere, die in der Consultingbranche ihr Unwesen treiben. KI ist, gemäß der Definition der Erfinder des Terminus heute noch nicht einmal in der Lage, intelligent einen Kühlschrank zu bestücken. Was heute als KI verkauft wird, sind auf Algorithmen basierende Systeme. In diesen Zeiten bleiben die Logik und die Entschlossenheit leider häufig auf der Strecke. Das die Unterbrechung der Ansteckungskette durch social (eigentlich ja besser physical) distancing wirkt, ist logisch, auch dass sich die Kurve der Ansteckungen dadurch abflacht und somit das deutsche Gesundheitswesen diese Epidemie besser handeln kann, leuchtet ein. Es zeigt sich auch, dass die finanziellen Ressourcen in unserem Gesundheitssystem fehlverteilt sind. Zuviel Geld für Verwaltung, zu wenig an der Front. Insofern sollten die Mittel umgeschichtet werden für die Leistungsträger, eine „Deutsche Krankenversicherung“ analog der DRV reicht auch. Insofern sollte politisch der Pragmatismus weiter regieren und von der verwaltungsorientierten zur leistungsorientierten Regierung umgeschaltet werden. Endlich weniger Bürokratie! Umso unverständlicher die „Forderungen“ mancher Politiker. Dem Vorsitzenden einer, bisher starken, Oppositionspartei wird nachgesagt, dass er vor der Formulierung seiner „Forderungen“ auf dem Klo die Zeitung von letzter Woche gelesen hat. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Große Unternehmensgruppen kündigen großspurig betriebsinterne Übungen als Maßnahmenpaket für die abhängige Unternehmen an. Manche Verbände sehen da nicht viel besser aus. Die meisten KMU fühlen sich als DIY (do-it-yourself) – Mitglieder oft auf verlorenem Posten.

Mit Blick auf die Börsenentwicklung sieht die Sache nicht besser aus. Da verkauft einer ein paar Aktien und alle Computerprogramme (KI gesteuert) wittern ein Mega-Problem in der Company und schon schalten alle auf „sell“ statt auf „buy“ oder zumindest auf „hold“.  Gerade bei Unternehmen der Gesundheitsbranche, die zum Teil ein Drittel des Wertes verloren haben, erscheint diese Automatisierung der Prozesse nachvollziehbar höchst unlogisch. Viel wichtiger ist es, sich mit Informationen zu versorgen und versuchen selbständig die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Aufklärung und daraus abgeleitete Strategieentwicklung war übrigens mein Aufgabenbereich bei der Bundesmarine. Die Methodik in Verbindung mit umfassender Erfahrung kann selbstverständlich auf wirtschaftliche Zusammenhänge angewandt werden.

Viele haben Zeit und können sich unabhängig, von den politisch eingefärbten öffentlich-rechtlichen Medien, umfassend informieren. Unsere Altvorderen haben sich in noch heftigeren Katastrophen bewähren müssen, insofern sollten wir diese Herausforderung auch meistern und nicht nach zwei Wochen im Krisenmodus anfangen zu jammern. Positive Nachrichten aus Fernost: Die Chinesen fahren ihre Produktion hoch (egal was von ihren publizierten Covid-19-Zahlen zu halten ist – meine Erfahrung in China), Südkorea scheint den Virus im Griff zu haben, Taiwan spendet Millionen von Masken, Russland liefert Hilfsgüter. Also Licht am Ende des Tunnels? Bis zu einer Entspannung der Lage dauert es sicher noch etwas. Was bedeutet das nun für den einzelnen Unternehmer? Hierzu erreichten mich viele Anfragen in den letzten Tagen.

Ich selbst habe mich für mein Unternehmen entschlossen, keine Fördermittel zu beantragen. Es würde mein Berufsethos stören, da ich denke, dass es einerseits Andere besser brauchen können und jeder erfolgreiche Manager für schwierige Zeiten Rücklagen bilden sollte und ganz besonders durch kreative Maßnahmen seine Firma weiterführen kann. Ich zahle auch meine Dienstleister weiter, auch wenn sie momentan nicht für mich arbeiten können. Sie brauchen das Geld zur Erhaltung ihres Lebensstandards dringender und können die geschuldete Arbeit später nachholen, wobei ich nicht unbedingt damit rechne. Allerdings sehen wir, dass es unter den Großkonzernen Schmarotzer gibt, die Maßnahmen, die für KMU entwickelt wurden, nun trotz Milliarden-Gewinnen für sich reklamieren. Ich habe die zurzeit gültigen Fördermittelunterlagen an Verbände und einzelne Händler versandt, so dass ich hier nur auf die wesentlichen Punkte eingehen möchte. Bei angeordneten Geschäftsschließungen stehen Ihnen 9.000,00 € bis 5 Beschäftigte, 15.000,00 € bis 10 Beschäftigte für drei Monate zu. Die Stundung der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge ist nun möglich, worauf die MIT besonders hingearbeitet hat. Beachten sie, dass im Insolvenzfall aufgrund eines Liquiditätsengpasses, möglichst mit der Erklärung der Insolvenz gegenüber den Krankenkassen vorrangig die Arbeitnehmeranteile zu zahlen sind, um die persönliche Geschäftsführerhaftung zu umschiffen. Dies ist nur eine unverbindliche Empfehlung. Es gibt je Bundesland noch länderspezifische Zuschüsse. Beantragen sie alle Maßnahmen über ihren Steuerberater oder ihren Wirtschaftsprüfer. Das gilt insbesondere für KFW-Darlehen da sie die bankspezifischen Anforderungen besser kennen. Es gibt genügend Berater, die sich anbiedern. Sie wissen allerdings in der Regel nur, wie ein paar Euro Beraterkostenzuschuss beantragt werden, deshalb sollten sie unbedingt auf kompetente Hilfe setzen und ihre Steuerberater / WP für die Beantragung von Kurzarbeitergeld einsetzen. Man sollte im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern mit Augenmaß vorgehen. Für viele Arbeitnehmer, gerade im Einzelhandel, führt die Kürzung der Bezüge zur finanziellen Katastrophe. Trotz der Möglichkeit der Stundung von Mieten, die ja irgendwann wieder nachzuzahlen ist. Um Härtefälle zu vermeiden, sollte man einen Arbeitgeberzuschuss an die Angestellten zahlen. Die Mitarbeiter werden verstehen, dass sie nicht 100% der Bezüge erwarten dürfen, aber vielleicht sind es dann am Ende vielleicht doch 80%, die helfen Existenzen lebbar zu machen. Die Arbeit kann mit Überstunden der Vergangenheit oder der Zukunft verrechnet werden. Vielleicht kann der freiwillige Unternehmerzuschuss in den Branchen, wo es möglich ist, als Bonus deklariert werden, es sollen (so stand jetzt geplant) 1.300,00 / 1.500,00 € steuerfrei sein.

Was bleibt zu tun vor dem Ostergeschäft. Man liest viel Blödsinn wie „Cases“ mit erfolgreichem „Livestream-Geschäft“, Gutschrift-Aktionen oder gratis Klopapierrollen bei der Abholung von „irgendwas“ im Geschäft. Es gibt da keine allgemeine Regelung, nur die, dass man den Kopf nicht verlieren darf und für sich ein klares Szenario entwirft, da viele Regelungen je Bundesland oder Kommune unterschiedlich angewandt werden. Onlinegeschäft (wer einen Shop hat), Telefonverkauf, Hinweise am Fenster mit besonderen Osterangeboten jeweils mit Anlieferung oder, ich habe es zwar noch nirgendwo gelesen, aber es sollte möglich sein: Schalterverkauf (vielleicht besser „Counter Store“), wenn Abholung von Waren in der Gastronomie möglich ist, warum nicht im Fachhandel, aber nur an einem Ausgabeschalter (z. Bsp. im Eingang) und die Konsumenten in Reihe mit 1,5 bis 2,0 Metern Abstand einzeln abfertigen. Da können die Wessis etwas von den Ossis lernen. Es gilt zu taktieren und damit zu improvisieren, im Kampf um den Kunden, deshalb prüfen sie solche Ideen mit ihrer IHK zur Klärung mit den regionalen Behörden. Wir sollten das Feld nicht einem einzelnen Online-Pure-Playern überlassen.

Schauen wir auf die Zahlen. In den USA sind die Umsätze für Spielwaren angestiegen, es wird allerdings nicht das fehlende Oster-, Frühjahrsgeschäft aufgeholt werden. Ein Jahresminus (der Hauptgewinner der Krise rückt ja nicht mit Zahlen heraus) wird wahrscheinlich realistisch bei rd. 2,0 % liegen. Aber seien wir optimistisch. Trotz aller sinnlosen Debatten, Ende April muss die Wirtschaft sukzessive wieder hochgefahren werden, sonst wird aus der Krise nach sechswöchigem Lockdown eine Katastrophe. Also bleiben sie optimistisch und gesund und vor allem, behalten Sie einen kühlen Kopf. Denn in der Krise beweisen sich die wahren Managementfähigkeiten.

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Die MIT Moers dankt Herrn Böckling für diesen Gastbeitrag! Martin Böckling ist Geschäftsführer der Firma ProConTrade und seit vielen Jahren Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Moers. Sie erreichen den Autor unter martin.boeckling.m@gmail.de. Der Gastbeitrag gibt nur die Meinung des Autors wieder und ist nicht unbedingt Meinung der MIT Moers.

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